Fermentiertes Gemüse: Warum es so gesund sein soll und wie man es selber macht (2024)

Trend Ferment

Ob Sauerkraut, Kimchi oder Natto: Gemüse im Gärglas oder Gärtopf haltbar zu machen – sogenanntes Fermentieren – liegt im Trend. Warum es als gesund gilt und worauf man achten sollte, damit beim Selbermachen nichts schiefgeht.

Von M.A. U. Essig (Medizinredakteurin), D. Schaller • Wissenschaftliche Prüfung: Dr. R. Mühlbauer (Arzt), Dr. K. Kremser (Ärztin),

Pharmazeutisch und medizinisch geprüft
Fermentiertes Gemüse: Warum es so gesund sein soll und wie man es selber macht (1)

Wer einen eigenen Garten hat oder Gemüse auf dem Balkon züchtet, weiß im Spätsommer oft nicht wohin mit der Ernte. Zucchini, Gurken und Kürbisse gibt es jetzt im Überfluss. Eine nachhaltige Methode, Gemüse haltbar zu machen, ist das Fermentieren. Und das geht im Prinzip ganz einfach: Das Gemüse wird gewaschen, kleingeschnippelt und in Gläsern mit Salzlake bedeckt. Die gemüseeigenen Milchsäurebakterien wirken und setzen Gärprozesse in Gang.

Für die Würzmittel Miso oder Natto – fermentierte Sojabohnen, die viele Speisen in der asiatischen Küche aufpeppen – braucht man zum Fermentieren spezielle Bakterien- oder Pilzkulturen.

Warum gilt fermentiertes Gemüse als besonders gesund?

  • Während des Gärvorgangs ändern sich der Geschmack und die Struktur von Gemüse. Gurken zum Beispiel werden saurer und viel weicher. Für manch einen sind die neuen Aromen und Konsistenzen ein Anreiz, öfter Gemüse zu essen.
  • Die Milchsäuregärung ändert den gemüsetypischen Mix an Inhaltstoffen. So sinkt der Zuckeranteil, während der Gehalt an Mikronährstoffen wie zum Beispiel Vitamin K und die Gruppe der B-Vitamine steigt.
  • Fermentiertes Gemüse ist bekömmlicher. Es kann bei bestimmten Verdauungsbeschwerden helfen. So konnte Sauerkraut in einer kleinen norwegischen Studie die Symptome bei einem Reizdarmsyndrom lindern. Um die Wirkung sicher zu beweisen, sind aber weitere Studien erforderlich.
  • Fermentiertes enthält lebende Milchsäurebakterien, denen eine probiotische Wirkung zugeschrieben wird. Sie können das Darmmikrobiom in Balance bringen und sollen so das Immunsystem unterstützen.
  • Wie Fermentiertes über den Darm Einfluss auf die mentale Gesundheit nimmt, wird derzeit erforscht.

Können fermentierte Lebensmittel Nachteile haben?

Fermentierte Lebensmittel können manchen Leuten auch Probleme bereiten. Sie enthalten oft hohe Mengen an Histamin, was bei Menschen mit Histaminintoleranz zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Hautausschlägen und Magen-Darm-Beschwerden führen kann.

Einige Menschen vertragen fermentierte Lebensmittel nicht gut und können Verdauungsstörungen wie Blähungen, Bauchschmerzen oder Durchfall erleben. Dies kann auf individuelle Unterschiede in der Darmflora oder bestehende gesundheitliche Probleme zurückzuführen sein.

Fermentiertes Gemüse: Warum es so gesund sein soll und wie man es selber macht (4)

Was ist Natto?

Natto ist ein traditionelles japanisches Lebensmittel aus fermentierten Sojabohnen. Bei der Herstellung werden die gekochten Sojabohnen mit dem Bakterium Bacillus subtilis versetzt. Nach einer Ruhezeit entwickeln die Bohnen ihr besonderes Aroma – und die typischen schleimig-strähnigen Fäden. Oft wird Natto mit anderen Speisen gemischt, denn pur schmeckt es sehr intensiv. Für westliche Gaumen schmeckt Natto sehr gewöhnungsbedürftig – es entwickelt Noten von käsig-streng bis alkoholisch-stechend. Manche sagen, es würde stinken. Natto ist reich an Vitamin K2, das zur Erhaltung der Knochen beiträgt. In sozialen Medien wird Natto als Superfood und Wundermittel gepriesen, das anti-oxidativ wirken und eine blutverdünnende Wirkung haben soll.

Grund des Hypes ist der Umstand, dass Natto das Enzym Nattokinase enthält, das Blutgerinnsel abbauen können soll. Allerdings kommt Nattokinase gar nicht im Körper an, wenn man Natto isst, weil das Enzym im Verdauungstrakt in seine Bausteine zerlegt wird. Und Nattokinase wirkt auch nicht „blutverdünnend“, es löst nur Gerinnsel auf, die sich schon gebildet haben.

Besonders gefährlich an der Falschmeldung über die „blutverdünnenden“ Eigenschaften von Natto ist die Tatsache, dass das Nahrungsmittel große Mengen an Vitamin K enthält. Vitamin K spielt eine Rolle bei der Blutgerinnung und im Knochenstoffwechsel. Es ist also einerseits wichtig. Zu viel davon kann aber zum Beispiel dann problematisch sein, wenn bestimmte Gerinnungshemmer eingenommen werden, etwa um einem Herzinfarkt oder einer Thrombose vorzubeugen. Denn Vitamin K kann die Wirkung des Medikaments beeinträchtigen. Wer also Vitamin-K-Antagonisten einnimmt, sollte auf Natto verzichten oder mit seinem behandelnden Arzt oder seiner Ärztin sprechen, was es zu beachten gilt, bevor er seine Ernährungsgewohnheiten verändert.

Was benötigt man, um Gemüse zu fermentieren?

  • Junges, erntefrisches Bio-Gemüse wie Zucchini, Kohlrabi, Gurken, Kürbis, Radieschen, auf keinen Fall gammelige Reste. Am besten eignet sich biologisch angebautes Gemüse, es enthält mehr natürliche Milchsäurebakterien und weist weniger Pestizidrückstände auf.
  • Kräuter und Gewürze nach Gusto, zum Beispiel Thymian, Rosmarin, Rauchpaprika, Senfkörner. Einfach nach Lust und Laune experimentieren, was die eigenen Geschmacksknospen mögen.
  • Frisches Leitungswasser.
  • Naturbelassenes Salz ohne Zusätze (Meer-, Stein- oder Ursalz).
  • Einmachgläser in verschiedenen Größen und Formen mit Glasdeckel, Gummiring und Klammern. Auch Drahtbügelgläser mit Gummiring sind ebenso wie Gläser mit zweiteiligen Deckeln geeignet. Außerdem Glasgewichte oder kleine Glasdeckel zum Abdecken der Oberfläche.
  • Digitalwaage.
  • Messer, sauberes Schneidebrett und Gemüsehobel.
  • Stampfer oder großen Löffel sowie eine Bürste und saubere Tücher oder Papierhandtücher zum Abtrocknen des Gemüses.

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Wie bereitet man Gemüse richtig aufs Fermentieren vor?

  • Das Gemüse mit der Bürste säubern. Dann unter fließendem Wasser abbrausen und putzen.
  • Hygiene ist wichtig, damit keine schädlichen Bakterien in die Gläser kommen. Die Fermentista Sibylle Hunger aus Kolbermoor in Bayern rät, die Gläser mit heißem Wasser auszuspülen. Ältere oder verstaubte Gläser aus dem Keller vorab mit kochendem Wasser sterilisieren.
  • Gemüse mit einem sauberen Messer je nach persönlicher Vorliebe und Glasgröße in Stücke schneiden oder mit einem Hobel fein raspeln.

Wie werden die Gläser fürs Fermentieren befüllt?

  1. Zum Ausprobieren lieber erst einmal kleinere Gläser verwenden. Falls etwas schiefgeht – und sich zum Beispiel Schimmel bildet – muss man nicht so viel wegwerfen. Und man kriegt sie, einmal geöffnet, besser im Kühlschrank unter.
  2. Die Gläser etwa zu 80 Prozent mit der angegebenen Füllmenge befüllen. In der Regel bleibt also eine Daumenbreite unter dem Glasrand frei. Das gilt auch, wenn das Gemüse mit Lake aufgefüllt wird. Das Wasser für die Lake zählt zum Gemüsegewicht dazu.
  3. Das Gemüse abwiegen. Das Gewicht mit dem Faktor 0,02 multiplizieren und diese Menge an Salz ebenfalls abwiegen. Entweder das Salz direkt zum Gemüse geben und kräftig durchkneten. Oder mit dem Salz eine Lake ansetzen.
  4. Das Gemüse ins Glas einfüllen und zum Beispiel mit einem Stampfer nach unten drücken, sodass keine Luft zwischen den Gemüsestückchen bleibt. Das Gemüse muss komplett mit Flüssigkeit bedeckt sein. „Nichts sollte aus dem Saft oder der Lake herausragen“, so Sibylle Hunger.
  5. Nach dem Befüllen ein Glasgewicht oder kleineren Einmachglas-Deckel zum Beschweren einlegen, leicht andrücken. Glasränder mit sauberem Tuch abwischen und trocknen. Gummiring in den Deckel einlegen. Deckel aufsetzen und prüfen, ob der Ring richtig sitzt. Klammern drauf, fertig.

Wie lange dauert das Fermentieren?

Jetzt ist Geduld gefragt: Die Gläser etwa eine Woche lang bei Zimmertemperatur (ca. 20 bis 22 Grad) aufbewahren. Dann ist ein guter Zeitpunkt für eine erste Sichtkontrolle. Weißliche Hefebeläge einfach abschöpfen, sie sind harmlos. Hat sich Schimmel auf dem Gemüse gebildet, muss der Inhalt des Glases entsorgt werden. In diesem Fall sind nicht erwünschte Mikroorganismen in das Gärgut gekommen, zum Beispiel durch den Kontakt mit Sauerstoff. Deshalb sollte man während der Gärung auch nicht am Gummi ziehen oder das Glas öffnen.

Alles sieht fein aus? Ab der zweiten Woche sollten die Fermente im kühleren Keller (etwa 17 Grad) lagern. Gläser immer auf ein Tuch stellen, da beim Gärprozess Blasen aufsteigen und Flüssigkeit durch die Gummiringe entweichen kann. „Mit der Zeit wird das Gemüse blasser, die Lake trüb“, sagt Hunger. „Das ist normal.“ Nach drei bis vier Wochen ist die Gärung abgeschlossen, und die Fermente sind fertig zum Verzehr. Geöffnete Gläser im Kühlschrank aufbewahren.

Wozu schmeckt das fermentierte Gemüse?

Pur auf dem Brot. Im Salat. Oder in einer Bowl zusammen mit rohem oder gebratenem Gemüse der Saison, dazu Reis, Couscous oder Quinoa. Sibylle Hunger peppt auch gern mal eine Pizza damit auf. Die passionierte Fermentista verwendet die Lake ihrer Fermente, zum Beispiel von Roter Bete, auch für Salatdressings.

Genauso lassen sich klassische Beilagen wie Bratkartoffeln mit fermentiertem Gemüse geschmacklich intensivieren. Oder man nimmt es als Topping für Suppen.

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