Die anonyme Web-Diskussionsplattform 8chan ist durch die Verbindung zu rechtem Terror bekannt geworden. Nach einer Pause ist das Forum jetzt unter neuem Namen wieder online.
Jochen Siegle
Die Betreiber des zweifelhaften Diskussionsforums 8chan wollen ihre Plattform unter neuem Namen wieder online bringen. Das sogenannte «Imageboard» ist bekannt geworden, weil rechtsradikale Attentäter dort ihre radikalen Parolen verbreitet und ihre Hass-Taten angekündigt haben. Auch der rechtsextreme Attentäter, der vergangenen Monat in Halle (Sachsen-Anhalt) Menschen ermordet hat, soll 8chan genutzt haben. 8chan ist überdies nicht nur für rechtsradikale, sondern für eine Vielzahl von rassistischen, sexistischen und pornografischen Inhalten bekannt.
8chan ist nicht mehr zu erreichen, seit die Internetsicherheitsfirma Cloudflare den Schutz der Plattform vor Hackerangriffen aufkündigte. «8chan hat wiederholt bewiesen, dass es eine Jauchegrube für Hass ist», teilte der Cloudflare-Chef mit. Man werde 8chan nicht weiter vor Cyberattacken schützen.
Betreiber setzen auf dezentrale Struktur
Eine derart kontroverse und Hass verbreitende Web-Plattform kann sich ohne speziellen Schutz vor Überlastungsattacken durch Gegner kaum im Netz halten. Seit 8chan offline ist, sollen die Betreiber immer wieder versucht haben, bei anderen Netzwerkdienstleistern zur Absicherung unterzukommen – ohne Erfolg. Doch nun ist das Imageboard unter dem Namen 8kun erneut aufgetaucht.
Für die neue Präsenz des fragwürdigen Forums setzen die Betreiber laut amerikanischen Fachmedien nun auf dezentrale Web-Hosting-Technologie auf Basis eines Netzwerkprotokolls namens Lokinet. Das soll in der Funktionsweise dem bekannteren Darknet-Netzwerk «Tor» ähneln, das insbesondere auch in Ländern populär ist, in denen freie Meinungsäusserung unterdrückt wird.
Neben einer mit herkömmlichen Web-Browsern im Internet zugänglichen Version wird 8kun offenbar auch als versteckte Darknet-Seite angeboten. Die Betreiber, ein amerikanischer Militärveteran namens James Watkins und dessen Sohn Ron, versprechen sich durch den Aufbau einer dezentralen Infrastruktur offenbar, das Forum auch ohne konventionelle Internet- und Sicherheitsprovider online halten zu können.
Forum für Hassrede und Gewalt
Man kann sich das ursprüngliche Diskussionsforum laut dem einstigen 8chan-Gründer Fredrick Brennan als riesige Facebook-Gruppe mit beliebig erstellten Untergruppen («Boards» bzw. Foren) zu verschiedenen Themen vorstellen. Die Nutzer sind jedoch alle anonym, es herrscht ein rauer Umgangston. Heute distanziert sich Fredrick Brennan öffentlich von seiner Plattform.
Inhalte konnten fast ohne Einschränkung durch Moderation in den Foren verbreitet werden. Zwar darf man keine in den USA illegalen Inhalte teilen – das scheint sich jedoch in erster Linie auf Urheberrechtsverletzungen und Kinderpornografie zu beziehen und verhindert weder Hassrede noch Gewaltaufrufe.
Brennan hat 8chan 2013 gegründet, geht aber seit längerem aktiv gegen den Betreiber vor. Der auf den Philippinen lebende 25-Jährige behindert die Plattform dabei, neue Netzwerk-Dienstleister zu finden. Nun informiert er per Twitter über potenzielle Schwachstellen, die Aktivisten nutzen können, um die Neuauflage des Diskussionsforums lahmzulegen.
Neues Netzwerk angreifbar
Die neue Variante 8kun scheint noch nicht richtig zu funktionieren: Offenbar ist es kaum möglich, Beiträge in den Foren zu platzieren. Auch musste 8kun-Initiator Watkins die Nutzer bereits über Sicherheitsprobleme informieren. Betreiber von Serververbindungspunkten des dezentralen Netzes («8kun-Knoten») könnten die Identität von Web-Surfern herausfinden. Dies dürfte viele potenzielle 8kun-Nutzer abschrecken, da diese anonym bleiben wollen.
Laut amerikanischen Tech-Blogs sollen nur 20 Minuten nach dem Start bereits die ersten Überlastungsangriffe (DDoS-Attacken) auf 8kun durchgeführt worden sein und einen Ausfall bewirkt haben.
Auf der neuen Plattform fehlt auch das Unterforum «/pol», kurz für für «Politically Incorrect». Dieses Forum galt als Treffpunkt für hass- und gewaltverherrlichende Gesinnungen und wird von 8chan-Gründer Brennan als «Neonazi-Board unter dem Deckmantel der freien Meinungsäusserung» bezeichnet.
Massnahmen gegen Gewalt und Hetze
Rechtsradikale und Verbreiter anderer «verstörender Inhalte» nutzen indes auch andere Möglichkeiten, um im Dunkeln der Anonymität zu kommunizieren und Hass-Inhalte zu teilen – beispielsweise die verschlüsselte Messenger-Plattform Telegram. Auch das Video des Attentäters von Halle wurde dort verbreitet und wurde laut Angaben der Extremismusforscherin Megan Squire von mehr als 15000 Zuschauern gesehen.
In Deutschland wurde infolge der antisemitisch motivierten Schüsse in Halle im Oktober ein ganzes Massnahmenpaket beschlossen, um rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen und rechtsextreme Gewalt einzudämmen. Dazu gehört auch, dass Internetprovider dazu verpflichtet werden, strafbare Inhalte zu melden und zu löschen.
Stefan Betschon
Gabriela Dettwiler